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Xarelto

28. Mai 2014

neuer Arzneimittelreport

Xarelto: hohe Kosten, mehr Nebenwirkungen

Die Barmer Ersatzkasse veröffentlichte heute den neuen Arzneimittelreport. Die Autor/innen beschäftigen sich darin ausführlich mit dem neuen Gerinnungshemmer Xarelto von BAYER, der zum Schutz vor einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall eingesetzt wird.

Seit Jahrzehnten gibt es für diesen Zweck bewährte Präparate wie Marcumar. Unbestritten ist, dass Xarelto (Wirkstoff Rivaroxaban) die Anwendung für die Patienten erleichtert, weil bestimmte Untersuchungen nicht mehr nötig sind. Doch es birgt auch Risiken. Denn im Gegensatz zu den bisherigen Präparaten fehlt bisher noch ein Gegenmittel, um unerwünschte Blutungen zu stillen. Eine mitunter tödliche Gefahr. Denn tatsächlich werden zunehmend Probleme mit Xarelto gemeldet: das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registrierte 2013 insgesamt 133 Meldungen über „tödliche Verläufe“ und 1400 Meldungen über schwere Nebenwirkungen. Obwohl ein Kausalzusammenhang noch nicht bestätigt werden könne, habe man es mit einem problematischen Arzneimittel zu tun, so Studienautor Gerd Glaeske.

Kosten für die Krankenkassen verdreifacht
Doch Bayer hat mit einem intensiven Marketing dafür gesorgt, dass die Verordnungsfreudigkeit der Mediziner nicht etwa sinkt. Im Gegenteil: Laut Glaeske stiegen die Ausgaben für Xarelto in Deutschland von 93 Millionen Euro in 2012 auf 282 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Das entspricht einer Verdreifachung. Abgesehen von den möglichen Problemen für die Patienten hat diese Entwicklung auch Folgen für die Krankenkassen. Denn Xarelto ist mehr als zehn Mal teurer als die herkömmlichen Wirkstoffe. Obwohl auf das Bayer-Produkt bisher nur 18 Prozent aller Verordnungen entfallen, entstehen hier bereits 63 Prozent aller Kosten in diesem Arzneimittelsegment. Zum Vergleich: Marcumar hat bei Verordnungen einen Anteil von 75 Prozent, bei den Kosten aber nur einen von 13 Prozent.
Wäre das Bayer-Präparat erst nach 2011 auf den Markt gekommen, dann hätte es dank einer Gesetzesänderung eine umfangreiche Kosten-Nutzen-Bewertung des Medikamentes gegeben, bei der auch das Risiko eine Rolle gespielt hätte. Eigentlich war geplant, diese Bewertung schrittweise auf alle Medikamente auszudehnen, die bereits auf dem Markt sind. Doch das wurde von der großen Koalition gestoppt.
Das erschien zunächst wie eine pragmatische Lösung, schließlich ist diese Bewertung extrem aufwendig und klageanfällig. Doch das Beispiel Xarelto zeigt, dass der Verzicht zu Lasten der Patientensicherheit und der Krankenversicherungen gehen kann. Die Koalition sollte daher ihre Entscheidung überdenken und einen gangbaren Weg suchen, um die Patienten zu schützen und die Ausgaben der Krankenkassen zu stabilisieren.

Vergleich Rivaroxaban und Dabigatran
Die beiden Wirkstoffe Rivaroxaban und Dabigatran haben in den Jahren 2012 und 2013 offenbar die Hauptrolle unter den nOAK gespielt. Apixaban als Vertreter, der als letzter auf den Markt gekommen war, konnte diesen Vorsprung in der Marktbedeutung noch nicht aufholen. Obwohl Apixaban als einziger Wirkstoff die AMNOG-Bewertung durchlief und einen Zusatznutzen belegen konnte, wurde die Zulassungserweiterung zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei NVAF erst Ende 2012 erteilt. Daher muss Apixaban hier unberücksichtigt bleiben.
Weder für Rivaroxaban (Xarelto) noch für Dabigatran (Pradaxa) sind Vorteile hinsichtlich der Wirksamkeit oder des Sicherheitsprofils nachgewiesen. Rivaroxaban (Xarelto) war mehrfach negativ in der Fach- und Laienpresse aufgefallen und steht möglicherweise im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Leberschäden und Todesfälle. Für keinen der beiden Wirkstoffe fi ndet sich eine Präferenz, weder in nationalen noch internationalen Leitlinien. Pradaxa erhielt die Zulassungserweiterung zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei NVAF ein gutes halbes Jahr früher als Xarelto. Trotzdem erzielte Xarelto schon 2012 einen deutlich besseren Ab- und Umsatz als Pradaxa und konnte diesen 2013 noch extrem steigern.

Fazit des Reports
Die Verordnungsdaten zeigen eindrucksvoll, dass neue Arzneimittel von deutschen Vertragsärzten ziemlich rasch und leider auch kritiklos angenommen werden. Die Akzeptanz eines neuen Arzneimittels scheint sich entsprechend der Marketingstrategie des Anbieters zu entwickeln, ohne den tatsächlichen Innovationswert in Frage zu stellen. Eine medikamentöse Therapie nach dem Motto „neu kann nur besser sein“ kann sich aber als ziemlich risikoreich für die Patienten entpuppen. Viele hochgelobte angebliche Arzneimittelinnovationen sind in der Vergangenheit vom Markt genommen worden, nachdem sie vielen Menschen das Leben gekostet haben (prominenteste Beispiele sind sicherlich Lipobay und Vioxx). Die nOAK, allen voran der im AMNOG-Prozess geprüfte Wirkstoff Apixaban, scheinen aber eine neue und nützliche Möglichkeit zur Behandlung von Patienten mit NVAF anzubieten. Solange aber bei Rivaroxaban und Dabigatran das Sicherheitsprofi l und das Nutzen-Schaden-Verhältnis nicht abschließend geklärt worden sind, sollten diese Wirkstoffe auch nur bei Patientinnen und Patienten eingesetzt werden, für die Vitamin-K-Antagonisten keine Option darstellen. Ein so breiter Einsatz, wie er sich momentan in Deutschland darstellt, ist durch die gegenwärtige Evidenz für die neuen Präparate nicht gerechtfertigt, er dient sicherlich vorrangig dem Umsatz der Pharmaindustrie und nicht der Sicherheit und der Gesundheit der Versicherten.

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