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Coltan

Nürnberber Nachrichten, 21.6.2003

Armes, reiches Land: Millionen müssen für die Bodenschätze im Kongo sterben

Beim Krieg in Zentralafrika geht es nicht um Stammesfehden, sondern um Gold, Diamanten und vor allem das Metall Coltan, das in unseren Handys steckt

Mit Rohstoffexport bezahlen die Rebellengruppen Waffen für neue Blutorgien - Diplomatischer Druck auf Nachbarländer sinnvoller als Bundeswehr-Mission

NÜRNBERG - Was hat mein Handy mit dem millionenfachen Morden im Kongo zu tun? Jede Menge: Immer kleinere, immer leichtere und immer leistungsfähigere Mobiltelefone, aber auch Computer und Spielekonsolen, lassen sich nur bauen, wenn für die Kondensatoren das seltene Metall Tantal verwendet wird. "Das ist der Rohstoff, der den Krieg im Kongo zumindest teilweise am Laufen hält", beschreibt Joachim Jung, Regionalverantwortlicher für den Kongo bei der Entwicklungshilfeorganisation "Brot für die Welt", den unheilvollen Zusammenhang zwischen unserer Gier nach immer modernerer Kommunikationstechnik und den Toten im Kongo.

Gewaltiger Gewinn
Nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich Colombo-Tantalit, kurz Coltan, so billig abbauen und anschließend mit solch gewaltigen Gewinnspannen weiter an die High-Tech-Industrie zur Herstellung von Tantal verkaufen wie im Kongo. Und nirgendwo sonst leiden ein Land und die Bevölkerung derart an ihrem Rohstoffreichtum. 1999, als der Handyboom einsetzte, begann eine blutige Jagd nach dem heiß begehrten Coltan. Seitdem fallen die Soldaten von sechs afrikanischen Staaten - Uganda, Ruanda, Simbabwe, Angola, Namibia und natürlich des Kongo - sowie unzählige von ihnen unterstützte Rebellengruppen mordend und vergewaltigend über den Osten des Landes her. "Massaker und Kannibalismus - die humanitäre Situation ist eine Katastrophe", bringt Jung die Lage auf einen kurzen Nenner.

Vermutlich drei bis vier Millionen Menschen wurden in den vergangenen vier Jahren ermordet, etwa eine Million ist auf der Flucht. Die Waffen für immer neue Blutorgien werden aus dem Verkauf der Rohstoffe bezahlt - früher Gold, Diamanten und tropische Edelhölzer, heute Coltan, das auf dem Weltmarkt bis zu 400 Dollar pro Kilogramm einbringt. Experten schätzen, dass allein das winzige Ruanda, das mit seinen Soldaten zeitweise bis zu 1000 Kilometer tief in kongolesisches Staatsgebiet vordrang, 2001 eine Viertelmilliarde Dollar mit dem Coltan-Verkauf verdiente.

Doch nicht nur die Krieg führenden Parteien sind dick im Geschäft. Nach Recherchen der Uno und des Vereins "Coordination gegen Bayer- Gefahren" ist die deutsche Firma H. C. Starck in Goslar, eine hundertprozentige Tochter des Chemie-Riesen Bayer, Marktführer im Tantal-Handel. Zudem soll sich mindestens eine der Coltan-Minen in deutschem Besitz befinden.

Starck bestreitet zwar, sein Coltan aus dem Kongo zu beziehen, doch die Uno und die "Koalition gegen Bayer-Gefahren" bleiben auf Grund zahlreicher widersprüchlicher Aussagen der Firma dabei, dass an dem von Starck vertriebenen Edelstoff Blut klebt. Denn wer im Kongo einkaufe, komme an der RCD, einer von Ruanda unterstützten Rebellengruppe, nicht vorbei, meint Philipp Mimkes, Sprecher der "Koalition". Mit dem saftigen Zoll, der für jedes Kilo exportiertes Coltan an die Milizen abgedrückt werde, könne sich die RCD wieder mit neuen Waffen versorgen. "Solange der Export läuft, ist dieser Krieg nicht zu beenden", glaubt Mimkes.

Guter Weg
Dabei habe sich der Kongo auf nationaler Ebene auf einem guten Weg in eine friedlichere Zukunft befunden, erklärt Joachim Jung. Was vor zwei Jahren noch undenkbar war, wurde mit dem Abkommen von Pretoria erreicht: In der Hauptstadt Kongos, Kinshasa, wurde eine Übergangs-
regierung eingesetzt, an der alle wichtigen Rebellengruppen beteiligt sind.

Alle fremden Truppen haben das Land inzwischen zumindest offiziell verlassen. Allerdings haben Ruanda und Uganda über die mit ihnen verbündeten Rebellengruppen noch immer weite Teiles des Ostkongos unter ihrer Kontrolle. "Das ist das paradoxe an der Lage: Wir haben einen zähen, aber leidlich erfolgreichen Friedensprozess, aber die Situation eskaliert im Osten des Landes", sorgt sich Jung. Vor allem das Entstehen von immer neuen Rebellen-Splittergruppen, die auch ein Stück vom Rohstoffkuchen abhaben wollen, erschwere die Suche nach einer friedlichen Lösung.

Beispielsweise sei die UPC, die Bunia, den Einsatzort der EU-Truppe, erobert hat, inzwischen so mächtig, dass man sie kaum noch bei der Regierungsbildung in der Hauptstadt ignorieren könne. Dass es bei dem Gemetzel in Bunia um einen Streit zwischen Hema und Lendu geht, wie es die Bundesregierung als Begründung für den Einsatz der Bundeswehr in Afrika anführt, will Philipp Mimkes nicht glauben:
"Die Uno hat immer wieder deutlich gemacht, dass es sich um einen Rohstoffkrieg und nicht um eine Stammesfehde handelt."

Können 1500 europäische Soldaten in diesem komplizierten Geflecht wirtschaftlicher Interessen überhaupt etwas ausrichten? Joachim Jung befürwortet den Einsatz, schon allein, um den Hass in Bunia nicht eskalieren und eine Versöhnung in noch weitere Ferne rücken zu lassen. "Aber 350 deutsche Soldaten sind natürlich nur ein symbolischer Beitrag, die können den Konflikt nicht lösen." Erfolgversprechender wäre es, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf die Nachbarländer auszuüben. Die Bundesregierung könnte Ruanda beispielsweise damit drohen, meint Jung, die deutsche Entwicklungshilfe zu kürzen, wenn das Zündeln im Nachbarland nicht ein Ende hat.

Für Philipp Mimkes ist hingegen klar, dass die deutsche Regierung viel zu wenig tut, um dem Konflikt die Nahrung zu entziehen. "Man müsste H. C. Starck endlich zwingen, seine Lieferanten offen zu legen." Alternativen zu dem blutigen Coltan gibt es nämlich durchaus: In Australien und Brasilien wird der grobkörnige, schwarze Sand ebenfalls gefördert. Und zwar wesentlich sicherer, wie Mimkes betont. Denn die unvorstellbar schlechten Sicherheitsbedingungen in den kongolesischen Minen hätten schon mehrfach zu furchtbaren Grubenunglücken geführt.

Letzter Regenwald
Und der Verbraucher, der Tag für Tag sein Tantal-bestücktes Handy ans Ohr hält, kann der auch etwas tun? "Na ja, Siemens und Nokia werden kaum erzählen, wo ihr Tantal herkommt", meint Reinhard Behrend, Vorsitzender des Vereins "Rettet den Regenwald", der sich im Kongo dem Schutz eines der letzten großen unerschlossenen Urwälder auf der Welt verschrieben hat. "Aber bei Bayer kann man durchaus gegen die Geschäftspraktiken ihrer Tochter-Firma H. C. Starck protestieren."
ARMIN JELENIK