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Alemtuzumab

Presse Info vom 24. September 2013

Alemtuzumab zur MS-Behandlung zugelassen

Profit vor Patientenwohl

Ein Jahrzehnt lang wurde der Wirkstoff Alemtuzumab unter dem Handelsnamen MabCampath zur Behandlung von Leukämie eingesetzt. Um den Umsatz zu erhöhen, wurde die Indikation jedoch im vergangenen Jahr aufgegeben. Das Medikament erhielt nun unter dem Namen Lemtrada eine Zulassung zur MS-Therapie und soll zu einem weit höheren Preis verkauft werden. Die Leukämie-Patienten werden im Regen stehen gelassen.

Die Firma GENZYME, eine Tochter von SANOFI, erhielt in der vergangenen Woche für den monoklonalen Antikörper Alemtuzumab eine Zulassung zur Behandlung von Multipler Sklerose. Die Firma BAYER war an der Entwicklung des Präparats beteiligt und partizipiert an den Erlösen. Im letzten Jahr war das Medikament zur Krebsbehandlung vom Markt genommen worden, obwohl es für einige Formen der Leukämie die beste Behandlungsmöglichkeit darstellt.

Hintergrund des zunächst unverständlich wirkenden Schachzugs: Nur wenige hundert PatientInnen in Deutschland benötigen das Leukämie-Präparat, die Einnahmen waren dadurch begrenzt. Der Markt für MS-Medikamente hingegen ist weitaus interessanter: allein in Deutschland gibt es rund 130.000 Betroffene, weltweit sind es 2,5 Millionen. MS-PatientInnen leben zudem länger und müssen daher länger behandelt werden.

Für MS wird jedoch eine viel geringere Dosis benötigt, jährlich zwischen 30 und 60 mg. Zur Behandlung von Leukämie hingegen wurden in einem Therapiezyklus 1.100 mg verabreicht. Da ein Wirkstoff für unterschiedliche Anwendungen nicht unterschiedliche Preise haben darf, standen die Konzerne vor einem Problem: zu dem früheren Preis versprach die MS-Therapie mit Alemtuzumab keine großen Umsätze. Orientiert sich der Preis hingegen an den üblichen Behandlungskosten von MS, würde er sich für Leukämie-Patienten extrem erhöhen, was zu Kritik von Betroffenen und Krankenkassen führen würde. Um dem Dilemma zu entgehen, gaben SANOFI und BAYER die wenig lukrative Indikation „Leukämie“ lieber ganz auf.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert: „Wieder einmal wird deutlich, dass für BAYER, SANOFI & Co. allein der Profit zählt. Das Patientenwohl ist dabei nachrangig. Nebenbei zeigt sich, dass die Preisbildung von Medikamenten nichts mit den Entwicklungskosten zu tun hat: ein und dasselbe Medikament kann vollkommen unterschiedliche Preise haben - je nachdem, was sich am Markt durchsetzen lässt.“

Scharfe Kritik hatte bereits im vergangenen Jahr die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft geäußert: „Aus Sicht der AkdÄ übernimmt ein pharmazeutischer Unternehmer mit der Zulassung eines Arzneimittels auch die Verantwortung für eine dauerhaft sichere und unkomplizierte Versorgung der betroffenen Patienten. Mit der freiwilligen Marktrücknahme und dem geplanten „Indikations-Hopping“ entzieht sich der pharmazeutische Unternehmer seiner Verantwortung auf inakzeptable Weise. Um ein solches Vorgehen zukünftig zu verhindern, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden.“ Torsten Hoppe-Tichy, Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker ergänzte: „Der Stakeholder-Value wird hier in bisher nicht dagewesener Weise vor das Patientenwohl gesetzt.“

Die SCHERING AG, die später in den BAYER-Konzern aufging, hatte sich an der Entwicklung von Alemtuzumab beteiligt. Dank der Lizenzabkommen mit GENZYME profitiert BAYER bis heute von der Vermarktung. Im jüngsten Geschäftsbericht hieß es hierzu: „BAYER beteiligt sich weiterhin an der gemeinsamen Entwicklung und hat bei erfolgreichem Abschluss die Möglichkeit einer weltweiten Co-Promotion sowie Anspruch auf Lizenzgebühren und umsatzabhängige Meilensteinzahlungen.“

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