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Berliner Zeitung

Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau, 16. Juli 2013

Bayer

Vergiftete Erfolgsgeschichte

Chemieriese Bayer feiert 150-jähriges Jubiläum. Über dunkle Seiten der Geschichte wird ungern geredet. Der Konzern hat beispielsweise viele Jahre lang Heroin als Hustenmittel für Kinder vermarktet.

Seite an Seite ziehen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, in den Festsaal in Köln. Der Chemieriese Bayer feiert sein 150. Firmenjubiläum – und die höchste Politprominenz ist gekommen, um zu gratulieren. Am 1. August 1863 war Bayer als kleiner Farbstoffhersteller in Wuppertal-Barmen gegründet worden, heute gibt das Unternehmen etwa 110.000 Menschen Arbeit und gehört mit fast 40 Milliarden Euro Umsatz zu den größten deutschen Industriekonzernen. Unbestreitbar eine Erfolgsgeschichte.

Merkel und Kraft sparen nicht mit Anerkennung, sie loben bei dem Festakt den Konzern nach Beobachtung von Journalisten der Nachrichtenagentur dpa geradezu „über den Klee“. Die Stimmung trüben, das macht kein Gast gerne. „Die Tinte, mit der diese Erfolgsgeschichte geschrieben wurde, das ist Innovation“, spricht die Bundeskanzlerin pathetisch. Sie verspricht, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die Chemieindustrie weiterhin von den Kosten der Energiewende entlastet wird. Platz für Kritik gibt es vor allem außerhalb des Festsaals. Der Regierungssprecher fängt sich einige Konter ein, nachdem er die Gratulationen Merkels über Twitter verbreitet hatte. Nicht alle sehen die Bayer-Geschichte nur positiv.

Doch der Glanz der zahlreichen Jubliäumsfeierlichkeiten droht die Teils düstere Geschichte des Unternehmens zu überstrahlen. Erfolge werden herausgestrichen, zum Beispiel die bahnbrechende Erfindung des Schmerzmittels Aspirin, oder die heute in vielen Bereichen unverzichtbaren Kunststoffe und Chemikalien aus den Bayer-Labors. Wenn es nicht um die erfreulichen Seiten der Unternehmensgeschichte geht, dann tut sich Bayer mit seiner Vergangenheit aber oft schwer.

Ein Beispiel dafür ist die Biografie von Carl Duisberg, eine der zentralen Figuren in der Bayer-Geschichte. Er war Erfinder, Konzernchef und später Gründungsvater und Aufsichtsratschef der IG Farbenindustrie AG. „In Erinnerung bleiben auch die sozialen Leistungen des Konzernlenkers“, heißt es in der Biografie auf der Konzernwebseite. Unerwähnt bleibt, dass Duisberg sich an der Entwicklung von Giftgas beteiligte und für dessen Einsatz im 1. Weltkrieg warb: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen.“ Duisberg gehörte auch zu den führenden Industriellen, die mit Erfolg die Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland forderten.

Wahlhilfe für Hitler
Die von Duisberg präsidierte IG Farben, in der Bayer zwischen 1925 und 1952 aufgegangen war, stellte für Hitlers NSDAP einen Wahlfonds mit drei Millionen Reichsmark bereit und trug damit ihren Teil zu seinem Aufstieg bei. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden im Werk Leverkusen Zwangsarbeiter eingesetzt, was auch Bayer einräumt.

„Konzerngeschichte nicht weißwaschen!“, fordert die Coordination gegen Bayer-Gefahren. Der Verein begleitet Bayer seit über dreißig Jahren, er wurde nach einem Störfall in Wuppertal gegründet, und geht den Konzernverantwortlichen bisweilen gehörig auf die Nerven.

Die Coordination gegen Bayer-Gefahren prangert nicht nur den Umgang mit der Geschichte im Dritten Reich an, sie moniert auch Pestizidverseuchungen, kritisiert, dass Bayer viele Jahre Heroin als Hustenmittel für Kinder vermarktet hat oder dass Bluter durch Bayer-Medikamente mit HIV infiziert wurden. „Der Widerstand gegen die zumeist rücksichtslose Konzernpolitik gehört untrennbar zur Geschichte von Bayer“, so Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination.

Ministerpräsidentin Kraft lobte auf dem Festakt: „Bayer ist ein Unternehmen, das wie kaum ein anderes für ein besseres Leben und eine bessere Gesundheit von Millionen Menschen arbeitet – und das seit eineinhalb Jahrhunderten.“ Das ist unbestritten ein Teil der Wahrheit, viele Bayer-Produkte zeugen davon. Aber es ist eben nur ein Teil der ganzen Geschichte. Von Daniel Baumann

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