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Offener Brief

22. Januar 2008

KEINE EU-ZULASSUNG FÜR GENMODIFIZIERTEN REIS

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

der Leverkusener BAYER-Konzern hat im Jahr 2004 eine Import-Zulassung für Liberty Link-Reis (LL RICE 62) beantragt. Die Sorte ist resistent gegen das von BAYER produzierte Herbizid Glufosinat. Der Anbau soll vornehmlich in asiatischen Ländern erfolgen, Anbau-Genehmigungen liegen dort bislang aber nicht vor. In einer ersten Abstimmung im Frühjahr 2004 hatten neun der damals fünfzehn EU-Mitgliedsstaaten Bedenken gegen eine Zulassung von Liberty Link-Reis geäußert. Die EU forderte daraufhin eine Stellungnahme der European Food Safety Authority (EFSA) an.

Die EFSA hat nun ein Positionspapier zu LL RICE 62 veröffentlicht. Die Behörde kommt zu dem Schluss, dass der Import von herbizidresistentem Reis keine Gefahr für europäische Verbraucherinnen und Verbraucher darstelle. Die ökologischen und sozialen Folgen eines Anbaus von LL RICE 62 wurden jedoch nicht untersucht, da der Anbau außerhalb von Europa erfolgen soll. Das Gremium weist explizit auf das Risiko von Auskreuzungen hin: “Accidental release of viable GM paddy rice into the environment is possible and GM seeds could be dispersed into land cultivating rice and establish GM populations, which could outcross with non-GM cultivated or weedy rice plants”.

Wie real diese Gefahr ist, zeigt das Beispiel der Sorte LL RICE 601, die ebenfalls gegen das gesundheitsgefährdende Glufosinat resistent ist. Im August 2006 war bekannt geworden, dass die von BAYER produzierte Sorte in den USA in den Handel und den Export gelangt war. LL RICE 601 war zu diesem Zeitpunkt nirgendwo auf der Welt zum Verzehr oder zum Anbau zugelassen, die gesundheitlichen Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher sind unbekannt. In 30 Ländern, darunter auch in Deutschland, kam LL RICE 601 in den Handel. Der finanzielle Schaden durch Rückrufe und Export-Ausfälle wird auf bis zu 1,2 Milliarden US Dollar geschätzt.

Wir lehnen daher eine Import-Zulassung von Liberty Link-Reis ab! Die Agro-Gentechnik ist kapitalintensiv und lässt sich nur auf großen Anbauflächen rentabel durchführen. Durch den Anbau von LL RICE 62, hauptsächlich in Asien, würden lokal angepasste Sorten verdrängt, was zu erhöhtem Schädlingsaufkommen, verstärktem Einsatz gefährlicher Pestizide und einer Verringerung der Artenvielfalt führen würde. Auch durch Auskreuzungen würden einheimische Sorten gefährdet. Die Konsequenzen für die Ernährungssicherheit wären dramatisch: mit dem Verlust traditioneller Reis-Sorten würde der verfügbare Gen-Pool drastisch reduziert. Damit ginge die Möglichkeit verloren, widerstandsfähige oder Krankheits-resistente Sorten zu züchten.

Zu den Risiken für Umwelt und Ernährung kämen soziale Gefahren: allein in Asien arbeiten etwa 50 Millionen Menschen im Reisanbau. Während die Landwirte das Saatgut bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen selbst produzieren, würden sie wegen des Patentschutzes in Abhängigkeit von Saatgut-Unternehmen geraten. Durch den bereits in der „grünen Revolution“ beobachteten Konzentrationsprozess würden unzählige Landwirte ihre Existenz verlieren und müssten in die Elendsgebiete rund um die Metropolen abwandern.

BAYER hat u.a. in den Philippinen eine Zulassung von Liberty Link-Reis beantragt, was vor Ort auf erbitterten Widerstand stößt. Eine Import-Zulassung von Gen-Reis in Europa würde es BAYER und anderen Biotech-Unternehmen ermöglichen, den Anbau von genmodifiziertem Reis gerade in Entwicklungsländern mit schwachen Regulierungs-Behörden voranzutreiben.

Für über 2,5 Milliarden Menschen ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel. Die Europäische Union darf sich nicht über die ökologischen und sozialen Risiken von LL RICE 62 in den potentiellen Anbau-Ländern hinwegsetzen. Wir fordern Sie daher auf, sich bei der EU gegen eine Import-Zulassung von Liberty Link-Reis auszusprechen! Eine Zulassung hätte weder für europäische Verbraucher noch für die Anbau-Länder einen Vorteil – im Gegenteil.

Mit freundlichen Grüßen,

Heike Moldenhauer
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Brigitte Behrens
Geschäftsführung Greenpeace e.V.

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Christof Potthof
Gen-ethisches Netzwerk

Joachim Bauck
Demeter e.V.

Benedikt Haerlin
Save our Seeds

Steffen Reese
Naturland

Maria Heubuch
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (abl)

Karsten Wolff und Usha Jayakumar
Thanal (India)

Thomas Dosch
Bioland

cc: Sigmar Gabriel, Horst Seehofer