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junge Welt

20.02.2007, junge Welt

»Wir sind kein Giftmüllklo der Chemieindustrie«

Import von 22000 Tonnen Giftmüll droht. Allein 4500 Tonnen sollen in Nordrhein-Westfalen verbrannt werden. Ein Gespräch mit Philipp Mimkes

Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) hat soeben eine Unterschriftenkampagne gegen den Import von Giftmüll aus Australien gestartet. Worum geht es bei diesem Giftmüll?
Es ist geplant, 22000 Tonnen Hexachlorbenzol (HCB) des Chemiekonzerns Orica nach Deutschland zu importieren und hier in Verbrennungsanlagen vernichten zu lassen – und zwar in Brunsbüttel, Herten, Dormagen und Leverkusen. Die beiden letzteren Anlagen werden vom Bayer-Konzern betrieben und liegen mitten in Nordrhein-Westfalen (NRW). Allein hier sollen 4500 Tonnen verbrannt werden. Deswegen arbeiten wir dagegen, denn es ist nicht hinnehmbar, daß Nordrhein-Westfalen zum Giftmüllklo der Chemieindustrie wird. Der jetzt geplante Transport ist aber nur die Spitze des Eisberges. Die Abfallimporte nach NRW belaufen sich schon jetzt auf mehr als 2,4 Millionen Tonnen jährlich, insgesamt 615940 Tonnen Sondermüll wurden 2005 importiert.

Was geschieht mit den Rückständen aus der Verbrennung?
Die Verbrennung von Giftmüll ist natürlich nicht rückstandsfrei. Zum einen haben wir da die Emissionen in die Luft, zum anderen fallen beim Verbrennen Filterstäube und Schlacken an, die entsorgt werden müssen. Ein Teil davon wird im Straßenbau verwendet, für den Rest gibt es z. B. in Leverkusen und Dormagen Deponien. Aber das sind Rückstände, die über Jahrzehnte gelagert werden müssen. Es ist also ein giftiges Erbe, das den nachfolgenden Generationen hinterlassen wird. Das gilt auch für die Rückstände, die auf dem Gelände der Verbrennungsanlagen gelagert werden.

Hexachlorbenzol ist seit 1981 als Pflanzenschutzmittel in Deutschland nicht mehr zugelassen und seit der Stockholmer Konvention von 2004 weltweit verboten. Warum wird heute dennoch mit diesem Gift gearbeitet?
Seit die Giftigkeit dieses Stoffes bekannt wurde, wird er nicht mehr produziert. Aber es gibt noch viele Restbestände. HCB wurde früher in der Arzneimittel- und Düngemittelproduktion verwendet, bzw. als Pflanzenschutz- und Desinfektionsmittel, als Fungizid, Insektizid und Holzschutzmittel eingesetzt. Das ist aber noch nicht alles. Denn mittlerweile nutzt der Bayer-Konzern seine Müllverbrennungsanlagen längst nicht mehr nur, um die eigenen Giftstoffe zu entsorgen, wofür der Bau der Anlagen eigentlich gedacht war. Inzwischen werden ebenso fleißig auswärtige Aufträge angenommen. Dazu zählt auch die Annahme der HCB-Lieferung aus Australien. Allein im Jahr 2004 haben über 300 Firmen ihren Giftmüll in den Verbrennungsanlagen von Bayer entsorgt. Die Entsorgung der 4500 Tonnen HCB aus Australien bringt Bayer einen Umsatz von drei Millionen Euro.

Die Coordination gegen Bayergefahren hat zudem noch allgemeine Forderungen zum Umgang mit Giftmüll aufgestellt. Welche sind das und an wen sind sie gerichtet?
In erster Linie richten sich unsere Forderungen an den Bayer-Konzern, aber natürlich auch an die Politik. Wir fordern das Ende der Giftmüllimporte aus allen Ländern. Es ist nicht hinnehmbar, daß ein so dicht besiedeltes Gebiet wie NRW zum Ziel internationaler Gifttransporte wird. Wir fordern, daß alle Emissionen von Verbrennungsanlagen, auch der Feststoff-Rückstände, bekanntgemacht werden. Auch die Menge und Art der bisher importierten Giftstoffe müssen offengelegt werden. Die finanziellen Interessen von Bayer dürfen nicht über die Gesundheit der Menschen gestellt werden.