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Glucobay

Der Standard (Österreich); 24. Februar 2006

Pharmakonzernen wird "Biopiraterie" vorgeworfen

Studie: Millionenprofite dank der Erforschung von Wirkstoffen aus Afrika - Verstöße gegen UN-Konvention

London/Bonn - Dutzende multinationale Konzerne werden in einem neuen Bericht des US-amerikanischen Edmonds-Instituts beschuldigt, Millionenprofite aus der Erforschung afrikanischer Bio-Ressourcen gemacht zu haben, im Gegenzug aber keinen Cent an die ärmsten Länder der Welt zurückgegeben zu haben. Pharmazeutische Firmen sollen der Studie von Jay McGown zufolge die UN-Konvention zur Biodiversität verletzt haben.

Konkrete Vorwürfe betreffen zum Beispiel den Leverkusener Bayer-Konzern: Der Pharmakonzern habe demnach das Diabetes-Mittel Glucobay mit Hilfe eines Bakteriums aus dem kenianischen Ruiru-See hergestellt. Von dem jährlichen Glucobay-Umsatz von rund 280 Mio. Euro fließt jedoch kein Cent nach Ostafrika, bemerken die Wissenschaftler.

Patentschrift
Dass an der Geschichte etwas dran ist, hat der Bayer-Konzern gegenüber der britischen Tageszeitung Independent bestätigt. Das Präparat Glucobay wurde 1991 in Deutschland zugelassen, 1995 ließ der Konzern in Europa und den USA einen neuen Herstellungsprozess von Acarbose, dem Wirkstoff des Präparats, patentieren. In der Patentschrift wird die Verwendung des Bakterienstamms Actinoplanes SE50 genannt, nicht jedoch dessen afrikanische Herkunft, berichtet das CBG-Network (Coordination gegen BAYER-Gefahren).

"Koloniale Ausbeutung"
Die von westlichen Unternehmen verwendeten Wirkstoffe sind laut Studie des Edmonds-Instituts zum Teil seit Jahrhunderten in Afrika in Gebrauch. "Das ist eine neue Form kolonialer Ausbeutung", so Beth Burrows, Herausgeberin der Studie. "Wir haben eine ganze Reihe von Fällen entdeckt, die dringender Erklärung seitens der Pharmakonzerne bedürfen." Das Problem sei, dass wir in einer Welt leben, in der es offensichtlich ist, sich einfach alles zu nehmen, kritisiert die Wissenschaftlerin.
"Wir erleben eine totale Respektlosigkeit gegenüber afrikanischen Ressourcen", so die Co-Autorin Mariam Mayet vom südafrikanischen African Centre for Biodiversity. "Nach nur einem einzigen Monat Untersuchungszeit haben wir sehr viel gefunden." Die Autorinnen werfen den beteiligten Konzernen Verstöße gegen die UN-Biodiversitäts-Konvention vor und fordern eine angemessene Beteiligung der Herkunftsländer an den Gewinnen.

Weiteres Beispiel
Unter den entdeckten Biopiraterie-Fällen wird auch die britische SR-Pharma genannt. Dieses Unternehmen hat Patente für ein Mycobakterium, das in den 70er Jahren in Uganda entdeckt wurde und gegen chronische virale Infekte wirksam ist. Im Independent-Bericht gibt der Direktor des Unternehmens, Melvyn Davies, zu, dass sein Unternehmen dem Staat Uganda keine finanzielle Kompensation angeboten hätte.
Seine Entschuldigung lautete: Das Produkte habe keine Profite für das Unternehmen abgeworfen. "Wenn man eine Substanz irgendwo findet, bedeutet das automatisch, dass das dem Land gehört in dem sie gefunden wurde?", argumentierte Davies. Es sei doch wesentlich, wer sich die Arbeit der Entwicklung in ein Arzneimittel angetan habe, so Davies. Es sei nicht einzusehen, warum Uganda einen Teil des Profits einstreifen sollte, wenn das Land gar nichts zur Entwicklung des Medikaments beigetragen habe.

Argumente
Bayer-Sprecherin Christina Sehnert argumentierte gegenüber der britischen Zeitung, dass das Produkt zwar aus einem kenianischen Bakterium entwickelt wurde, aber das Medikament ein Produkt der Biotechnologie sei. "Wir verwenden nicht das Original, sondern haben das Ergebnis der Biotechnologie patentieren lassen." Die Kritiker schweigen aber nicht zu diesen Fällen, sondern argumentieren damit, dass 1992 aufgrund der Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Afrika die Internationale Konvention zur Biodiversität geschaffen wurde.
Das Übereinkommen dient nicht allein der Erhaltung und Wiederherstellung, sondern auch der nachhaltigen und ausgewogenen Nutzung von Pflanzen- und Tierarten und der Vielfalt ihres Erbgutes. International verbindliche Regelungen müssen dafür sorgen, dass weitere Verluste an Arten- und Lebensraumvielfalt verhindert werden und dass die Entwicklungsländer, die über große Naturschätze verfügen, für deren Schutz und Nutzung gerechte Gewinnanteile erhalten. (pte)